Wie immer mehr Firmen mit Dynamic Pricing ihre Verkaufspreise steuern

Die amerikanische Fastfoodkette Wendy’s ist der neueste Vertreter einer Preisstrategie, die die Produkte je nach Angebot und Nachfrage in Echtzeit teurer und billiger macht.

Der amerikanische McDonald’s-Konkurrent ist für sein rothaariges Maskottchen und seine viereckigen Hamburger bekannt.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einer Meute hungriger Kinder im Auto, und der Nachwuchs beginnt plötzlich laut nach Futter zu schreien. Eine Situation, die schon jetzt eine Vielzahl von Erziehungsberechtigten immer wieder in finanzielle Not bringt könnte, in Zukunft allerdings einen noch weit schlimmeren Effekt auf die Geldbörse haben könnte. Der CEO der US-Restaurantkette Wendy’s, Kirk Tanner, sprach Mitte Februar über die neuen Pläne des Unternehmen, die Kunden genau in solchen Situationen künftig teuer kommen könnten. Ab 2025 sollen nämlich KI-unterstütze Anzeigetafeln in den Wendy’s-Standorten installiert werden, die je nach aktuellem Angebot und entsprechender Nachfrage die Preise der Sandwiches anzeigen.

Wenige Tage und ein furioses mediales Echo später sah sich der CEO gezwungen, den Sachverhalt klarzustellen: Die dynamischen Preise seien nur dafür vorgesehen, den Kunden Verbilligungen schneller bieten zu können. Wenn man die Entwicklungen mit Dynamic-Pricing-Strategien bei anderen Firmen betrachtet, muss man Tanners Versprechen allerdings mit einem misstrauischen Blick betrachten.

Uber, Lyft, amerikanische Sportligen und Ticketplattformen und auch österreichische Skigebiete nutzen bereits seit Jahren Dynamic-Pricing-Strategien zur Preisgestaltung – und bringen dabei den Konsumenten in den seltensten Fällen echte Kostensenkungen. Ein kleiner Überblick über die immer beliebter werdende Strategie:

Uber

In einem seiner Bücher behauptet der kanadische Journalist und Autor Malcolm Gladwell, es würde etwa 10.000 Stunden brauchen, um eine Tätigkeit zu meistern. Beim Blick auf die Preisstrategien Ubers erkennt man, dass man diese Stunden schon absolviert hat. Die Firma, die sonst eher als preisgünstige Alternative zu klassischen Taxis bekannt ist, schaffte es wie wenige andere Dienste, äußere Faktoren heranzuziehen, um ihre Tarife zu erhöhen. Nicht nur eine gestiegene Fahrgastanzahl lässt bei Uber die Preise anschwellen, auch Faktoren wie Wetter, Verkehr und sogar Umweltkatastrophen lassen die Preise in die Höhe steigen.

Während ein historischer Blizzard den Nordosten der USA 2016 in ein Schneechaos stürzte, erklärte sich Uber bereit, seinen programmierten Preisanstieg auf „nur“ 350 Prozent für normale Fahrten und 280 Prozent für Uber Black zu begrenzen. Der Kanadier Matt Lindsay wachte am Neujahrstag desselben Jahres auf und musste feststellen, dass er aufgrund seiner Alkoholisierung bei den Feierlichkeiten einen Preis von über tausend Dollar für seine Taxifahrt bezahlt hatte. Der normale Fahrpreis wurde an diesem Abend dynamisch um das Zehnfache erhöht. Erst nach einem medialen Aufschrei wurden ihm immerhin 50 Prozent des Preises gutgeschrieben.

Rumänische Taxifahrer protestieren vor dem Parlament in Bukarest gegen die Ride-Sharing-App.

Ticketmaster

„Everybody’s out on the run tonight. But there’s no place left to hide“ – diese Zeilen Bruce Springsteens aus seinem Welthit „Born to Run“ beschreiben die Verfügbarkeit von Tickets bei seiner 2023er-Konzertreihe treffend. In einer Zusammenarbeit mit Ticketmaster, vielleicht schon bekannt aus Negativschlagzeilen bezüglich der Welttournee Taylor Swifts, passten sich die Ticketpreise für Springsteens Konzerte an die Nachfrage an. Die besten Plätze im Haus waren zu Stoßzeiten nur noch für über 5.000 Dollar zu haben. Eine Tatsache, die den Fans des „Boss“, der sich seit Jahrzehnten für die Interessen der amerikanischen Arbeiterklasse einsetzt, sehr bitter aufstieß.

Aber nicht nur Springsteen wählte die Option zur dynamischen Preissteigerung, auch amerikanische Sportteams steuern Sitzplatz- und Saisonkartenpreise mit dieser Taktik. Besonders Teams der Baseballliga MLB, die etwa doppelt so viele Spiele pro Saison austrägt wie Basketball oder American Football, sprangen auf diesen Trend auf.

Immer wieder gerät Ticketmaster aufgrund seiner Preise und Servicegebühren ins heiße Wasser.

Bad Gastein

In Salzburg wurde vor zwei Jahren eine vergleichsweise konsumentenfreundliche Preisstrategie eingeführt, die auch unter dem Namen Dynamic Pricing vorgestellt wurde. Anders als bei den vorigen amerikanischen Beispielen muss man sich hier keine Sorgen machen, in der Hütte oder am Lift bei steigendem Besucherandrang draufzahlen zu müssen. Eine Art Frühbucherbonus soll hier die Ski- und Snowboardbegeisterten dazu motivieren, vorab zu buchen und auch an weniger beliebten Skitagen, etwa unter der Woche, die Sportgeräte aufs Autodach zu schnallen.

An manchen Tagen fühlt sich der Besuch eines Skigebiets wie diese Szene bei einem Langlaufrennen in Schweden an. Dynamic Pricing wäre hier nicht mehr tragbar.

Stonegate Pub Company

Dass auch Lebensmittel nicht sicher vor programmierten Preiserhöhungen sind, zeigt das Beispiel der größten britischen Pub-Kette. Die Stonegate Pub Company, die unter ihrem Banner 18 verschiedene Pub-Marken versammelt, hat vergangenes Jahr eine Art „Unhappy Hour“ eingeführt. Zu Stoßzeiten müssen die Kunden eine Preissteigerung zwischen 20 Pence und 1,5 Pfund pro Pint verkraften. Die Pub-Klientel des Vereinigten Königreich, zu der immer noch ein großer Teil der Briten gehört, hat diese Veränderung weniger gut aufgenommen.

Ähnlich wie bei diesem ORF-Archiv-Kleinod aus den 70er-Jahren ließ die Bierpreiserhöhung die Wogen hochgehen. Ein Aufschrei in sozialen Medien und ein Boykottaufruf waren die Folge. Ob sich der allgemeine Aktivismus in den Finanzbüchern der Stonegate Pub Company niederschlägt, lässt sich nicht genau sagen, aber einer Presseaussendung der britischen Gewerkschaft GMB zufolge sind über 4.500 Stonegate-Standorte aktuell von einer Schließung bedroht.

Pubs sind lebenswichtig für Briten. Diese Kundinnen warten sogar vor geschlossener Tür, bis das Lokal aufsperrt.

Wie sich Dynamic Pricing in den Verkaufspreisen von Firmen niederschlägt, ist durchaus unterschiedlich, doch haben alle eine Gemeinsamkeit: In den wenigsten Fällen bringen sie dem Kunden eine echte Preiserleichterung. Unternehmen wissen, zu welchen Zeiten sie die höchsten Profite verlangen können, und verstecken simple Preiserhöhungen mit Rabatten zu Zeiten, in denen kein Mensch ihre Dienste wahrnimmt. Das ist sicherlich nicht der schlechteste Marketing-Move der freien Wirtschaft, aber auch einer, dem mit einer gesunden Portion Skepsis entgegengetreten werden sollte. (Georg Dittlbacher, 9.3.2024)

09.03.2024 | Der Standard | Georg Laurenz Dittlbacher

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert