Onlinehändler sammeln Daten und passen Preise in Echtzeit an. Kennt man das System, kann man sich gegen die Datensammelei wehren und bessere Preise erzielen.

nton, Berta und Claus planen eine Reise. Die drei recherchieren gemeinsam auf einer bekannten Buchungsplattform, sitzen aber an unterschiedlichen Orten und nutzen unterschiedliche Geräte. Anton ist Stammkunde und mit seinem iPhone ins Nutzerkonto des Portals eingeloggt. Berta sucht mit ihrem Android-Smartphone auf der Plattform, ohne sich dort anzumelden. Claus sitzt am PC, hat alle Cookies abgelehnt und surft mit maximaler Datenminimierung. Überrascht stellen die drei fest, dass die Plattform jedem von Ihnen für dasselbe Hotel im selben Buchungszeitraum einen anderen Preis anzeigt. Einen Tag später schauen die drei noch einmal nach und sehen neue Preise.

Das Szenario ist durchaus realistisch: Angesichts der Möglichkeiten, die sich Onlinehändlern und zunehmend auch dem stationären Einzelhandel bieten, erscheinen die Preissprünge an der Tankstelle fast schon langweilig.

Da Händler kaum darüber sprechen, kursieren neben Fakten zahlreiche Hypothesen und Gerüchte über dynamische Preisbildung, auch „Dynamic Pricing“ genannt. Während allgemeine kurzfristige Preisänderungen sofort auffallen, ist die Lage bei persönlich zugeschnittenen Angeboten diffus. Wir untersuchen, wie dynamische Preisbildung funktioniert, ob und wie Händler sie ausnutzen und wie Sie als Kunde damit umgehen können.

Online können Kunden Preise deutlich besser vergleichen als im stationären Handel und zum Beispiel auf Preisvergleichsportalen nahezu in Echtzeit das günstigste Angebot heraussuchen. Zugleich versuchen Händler, einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Mit Analyseprogrammen vergleichen sie ihr Angebot mit dem der Konkurrenz und passen Preise bei Bedarf sogar mehrmals täglich an. Besonders an umsatzstarken Tagen wie dem „Black Friday“ im Vorweihnachtsgeschäft kommt es so zu wahren Preisschlachten.

Handelsexperten sprechen von Dynamic Pricing. Dafür nutzen Händler sogenannte Pricing-Tools, also Software, die mit einer Fülle von Datenpunkten den optimalen Preis für ein Produkt ermittelt.

Diese Software recherchiert bei den meistverkauften Produkten mitunter über hundert Vergleichspreise pro Tag, indem sie bei der Konkurrenz die Angebote durchstöbert. Schon heute machen solche Bots geschätzte drei Viertel aller Suchanfragen bei großen Onlinehändlern aus. Für die eigenen Preisvorschläge berücksichtigt die Software auch Angebote in Preissuchmaschinen und Werbenetzwerken sowie das aktuelle Verhältnis von Angebot und Nachfrage im eigenen Shop.

(Halb-)Automatische Preisfindung

Für Letzteres zählen Händler beispielsweise, wie oft Kaufinteressenten auf die jeweilige Produktseite zugreifen und wie oft sie ein Produkt in einen Warenkorb legen. Nicht zuletzt berücksichtigen sie die tatsächlichen Käufe. In den vergangenen Jahren spielte außerdem die Verfügbarkeit des Angebots eine immer größere Rolle. Gerade wenn ein Händler aufgrund von Engpässen in der Lieferkette einen knappen Warenbestand hat, wird er alles daran setzen, diesen mit einer möglichst hohen Marge zu verkaufen – ohne zu schnell ausverkauft zu sein.

In anderen Fällen, wie bei Bekleidung und Schuhen, spielt zudem die Saisonalität eine wichtige Rolle. So kann das System die Preise über einen längeren Zeitraum immer weiter senken, wenn die Nachfrage zurückgeht. Damit fördert es den Abverkauf und räumt die Lager. Außerdem versucht es, externe Faktoren wie Wetterprognosen oder Ferientermine zu berücksichtigen.

Dynamic-Pricing-Software enthält zu diesem Zweck Regelwerke, in die zudem Einflussfaktoren wie Einkaufspreise und laufende Betriebskosten einfließen. Anbieter von Dynamic-Pricing-Tools werben damit, dass Händler mit guten datenbasierten Regelwerken bessere Margen erzielen, weil diese differenzierter, objektiver und weniger emotional agieren als ein Mensch. E-Commerce-Experten halten die dynamische Preisfindung für eine der effektivsten Möglichkeiten, die Durchschnittsmargen zu erhöhen.

Mit Tools wie dem Browser-Plug-in Keepa, das Amazon und eBay berücksichtigt, können Händler und Verbraucher Preisschwankungen anhand verschiedener Parametern nachvollziehen.

e komplexer die Regelwerke werden, desto unübersichtlicher und intransparenter wird jedoch die Preisermittlung – auch aus Sicht der Shopbetreiber. Viele Händler passen die Preisgestaltungswerkzeuge daher zusätzlich mit eigenen Regeln und Erfahrungen an, um keine Fehlentscheidungen zu riskieren. So können sie der Software zum Beispiel einen Preiskorridor vorgeben, damit sie Kunden nicht durch zu hohe Preise abschrecken oder Waren unter den eigenen Kosten verramschen.

Die dynamische Preisgestaltung auf dem Amazon Marketplace spielt für viele Händler eine besondere Rolle – und zeigt Verbrauchern das Geschehen wie unter einem Brennglas. Die Konkurrenz ist hier besonders groß, der Kampf um den Absatz besonders hart. So ändert sich bei Amazon der angezeigte Preis, insbesondere für Markenprodukte, statistisch häufiger als anderswo im E-Commerce.

Amazons "Buy Box" zeigt den Preis, den Amazon für den besten aller Händler mit bestimmten Qualitätsmerkmalen hält – sich selbst eingeschlossen.
Amazons „Buy Box“ zeigt den Preis, den Amazon für den besten aller Händler mit bestimmten Qualitätsmerkmalen hält – sich selbst eingeschlossen.

Besonders hart umkämpft ist Amazons „Buy Box“: Über sie laufen je nach Produktkategorie 60 bis 90 Prozent des Gesamtabsatzes. In der Box landet der Anbieter mit der aus Sicht von Amazon besten Kombination aus Preis und Verkäuferleistung, zu der Amazon Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Bewertungen zählt – sich selbst eingeschlossen. Der Anbieter von Preisfindungssoftware Sellerlogic hat in einer Studie festgestellt, dass sich der Preis in der Box bei etwa der Hälfte aller Markenprodukte mehr als 14-mal pro Tag ändert.

Trotz dieser Konkurrenzsituation profitiert der Kunde nicht immer. Fast alle großen Marketplace-Händler nutzen Pricing-Tools zur Optimierung ihrer Margen.

Echte Schnäppchen sind daher vor allem bei vergleichbaren Markenartikeln selten, wie Marketplace-Händler und Dienstleister übereinstimmend erklären.

Kunden sollten also nicht nur auf das Angebot in der Buy Box achten: Über die darunter erreichbare Gesamtliste der Angebote („Andere Verkäufer auf Amazon“) erzielen sie oft bessere Preise.

Psychologische Tricks

Der günstigste Anbieter spielt vor allem bei hart umkämpften und gut vergleichbaren Artikeln eine Rolle, die Kunden häufig über Preissuchmaschinen und Handelsplattformen wie Amazon Marketplace suchen. Will ein Händler seinen Bekanntheitsgrad steigern, stellt er seine Software so ein, dass sie an wichtigen Handelstagen wie der Vorweihnachtszeit die begehrtesten Artikel immer ein paar Prozentpunkte billiger anbietet als die Konkurrenz. Ein eventuelles Minus verbucht er als Marketingbudget. Das geschieht aber selten vollautomatisiert, da ein fehlerhafter Preis eines anderen Anbieters den eigenen Preis komplett ruinieren kann. Handelsexperten raten ohnehin zum zweitgünstigsten Angebot. Der Händler bleibt in den Preissuchmaschinen sichtbar, das Risiko zu hoher Rabatte sinkt.

Wie oft Onlinehändler an der Preisschraube drehen, hängt von der Produktkategorie und von der Marktsituation ab. Auch wenn sie es technisch könnten, ändern sie die Preise selten im Minuten- oder Stundentakt, sondern nur bei bestimmten Schwellenwerten. Das hat mit Psychologie zu tun: Studien zufolge reagieren Kunden verunsichert (oder misstrauisch), wenn ein Preis zu stark schwankt und sie dahinter kein Muster erkennen. Sie warten dann oftmals weiter ab, ob der Preis noch besser wird – oder kaufen erst recht nicht, wenn er wieder steigt. Aus ähnlichen Gründen halten Shops meist an bekannten Preisschemata fest, runden also etwa auf den Euro oder auf 90 Cent.

Booking.com unterteilt Nutzergruppen nach Buchungsfrequenz und bietet App-Nutzern Rabatte.
Booking.com unterteilt Nutzergruppen nach Buchungsfrequenz und bietet App-Nutzern Rabatte.

Manche Händler versuchen auch, die vermutete Zahlungsbereitschaft und Preissensibilität einzelner Kunden oder Kundengruppen für sich zu nutzen. Bei ihnen richtet sich der Preis beispielsweise danach, ob der Kunde ihn über das Notebook am Schreibtisch recherchiert, auf dem Smartphone sucht oder gar über die Händler-eigene App kommt. Das funktioniert in beide Richtungen. Ein kleines Experiment lieferte uns zum Beispiel Indizien für die Annahme, dass eine Online-Apotheke ein Schnupfenspray in der App etwas teuer anbietet als auf der Website oder in einem Vergleichsportal. Die mögliche Kalkulation: App-Nutzer sind häufiger Stammkunden und vergleichen Preise seltener als Nutzer von Preissuchmaschinen.

Umgekehrt sieht es auf Hotel- und Urlaubsportalen mit ihren besonders volatilen Preisen aus. Wer sie mit einem Smartphone aufruft oder sich als Stammkunde mit einem Konto angemeldet hat, bekommt für seine Treue oft günstigere Angebote als PC-Nutzer sowie Neu- und Gelegenheitskunden. Das Reiseportal Booking.com geht mit dieser Strategie relativ transparent um und erklärt unmissverständlich, dass man auf Mobilgeräten sowie bei häufigen Buchungen bessere Preise erhält.

Technisch lässt sich der Preis noch weiter personalisieren. Viele Händler erfassen gerade bei eingeloggten Stammkunden sämtliche Klicks, Mausbewegungen und Lesezeiten. Daraus erstellen sie eine sogenannte „Customer Journey“. So nennen Marketingexperten das Verhalten des Kunden über zahlreiche Zwischenstationen bis hin zum Kaufabschluss. Auf Basis dieser Daten und stochastischer Methoden wird individualisiertes Marketing möglich.

So könnte ein Algorithmus einem Kunden, der regelmäßig nach Produkten aus dem Luxussegment sucht, ein Sonderangebot machen. Einem anderen Kunden, den der Algorithmus als besonders sparsam und preissensibel klassifiziert, bietet er ein Auslaufmodell um einige Prozentpunkte günstiger an. Ein dritter Kunde wiederum erhält einen besonderen Preis für ein Produkt, den er kürzlich in den Warenkorb gepackt hat, ohne den Kauf abzuschließen.

Daraus entsteht eine Zwickmühle: Zwar liefert jeder eingeloggte Kunde dem Händler eine Vielzahl von Datenpunkten. Doch die Kunden fühlen sich womöglich überwacht und ungerecht behandelt, wenn sie mehr zahlen müssten als andere. Hinzu kommt, dass sie dies auf dem Bildschirm sehen würden: Laut der Preisangabenrichtlinie der EU müssen Onlineshops und -marktplätze seit Ende Mai 2022 Preise kennzeichnen, die ein Algorithmus mithilfe persönlicher Daten oder Merkmale individualisiert hat.

Unabhängige Untersuchungen haben aber auch in den Jahren zuvor keine Hinweise darauf gefunden, dass Händler ihre Preise systematisch und verdeckt individualisieren. 2018 kam eine Studie der Verbraucherzentralen und des Marktwächters Digitale Welt zu dem Ergebnis, dass individualisierte Preise für bestimmte Kundengruppen, Endgeräte oder Regionen die Ausnahme sind. Zu ähnlichen Ergebnissen kam zuletzt eine im Herbst 2020 durchgeführte Studie des ibi-Institutes Regensburg im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Einige der unterschiedlich ausgewiesenen Preise ließen sich durch verzögerte Aktualisierungen erklären. Im virtuellen Warenkorb glichen sie sich oft wieder an.

Dynamische Preise ausnutzen

Mittlerweile sammelt vor allem der Onlinehandel unzählige Daten über seine Kunden. Wer ist besonders preissensibel? Wer verhält sich loyal? Wer hat eine hohe Kaufkraft? Wenn Sie diese Faktoren kennen, können Sie sie berücksichtigen und im besten Fall für sich ausnutzen. Selbst wenn es die Preise nicht beeinflusst, kennt der Händler Sie ein Stück weit weniger genau.

Bekannte und unbekannte Kunden: Die Such- und Bestellhistorie eines Kunden verrät dem Onlinehändler viel über dessen Interessen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Sie sich in Ihr Benutzerkonto eingeloggt haben. Der Händler zeigt Ihnen auf der Startseite dann Produkte, die Ihren Vorlieben entsprechen. Auf ähnliche Weise kann der Händler Ihre Preise anpassen. Abhilfe schafft der Inkognito- oder Privatmodus des Browsers, außerdem sollten Sie Cookies ablehnen und den Browser-Cache vorher leeren. Loggen Sie sich möglichst spät vor dem Kauf in Ihr Kundenkonto ein, da der Shop sonst jedes aufgerufene Produkt protokolliert.

Geolokalisierung: IP-Adresse und Geodaten verraten, wo Sie sich aufhalten. Die Preise können niedriger ausfallen, wenn die Pricing-Software an diesem Ort eine geringere Kaufkraft vermutet und umgekehrt. Anders als in den USA nutzen Händler diese Geolokalisierung in Deutschland bislang nicht nach regionalen oder gar lokalen Gesichtspunkten. Wohl aber bieten einige Händler Kunden aus der Schweiz andere Preise an als Kunden aus Deutschland. Wenn Sie ein VPN-Tool einsetzen, können Sie Ihren Standort verschleiern. Die dann angezeigten Preise müssen aber nicht unbedingt niedriger sein.

Zeiten: Die Nachfrage ändert sich je nach Tageszeit und Wochentag. Daraus können Händler unterschiedliche Preise berechnen und Schlüsse ziehen – und Sie als Kunde antizyklisch handeln. Schwellenwerte sorgen jedoch dafür, dass sich Preise oft nur in Ausnahmefällen signifikant entlang solcher Rhythmen ändern. Einheitliche Regeln lassen sich daraus nicht ableiten. Etwas anderes sind die klassischen Faktoren Saison, Modellwechsel und bestimmte umkämpfte Tage wie der „Black Friday“.

Endgerät und Kanal: Ob Sie über den Desktop-Browser, das Smartphone oder das Tablet (und dort über den Browser oder die Händler-App) ein besseres Angebot bekommen, lässt sich pauschal nicht sagen. Die Händler finden dies über Abfragen heraus und einige spielen damit. Manche Unternehmen interpretieren etwa iOS- und Safari-Nutzer als besonders zahlungsbereit. Ähnlich wie bei der Geolokalisierung ziehen sie daraus Rückschlüsse auf Ihre finanziellen Spielräume.

Zudem glauben einige Händler, dass Nutzer der hauseigenen App besonders treu sind. Reiseportale wie Booking.com und Shopping-Clubs bieten Ihnen als registriertem App-Kunden günstigere Preise an, zum Beispiel Restplätze in bestimmten Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen günstig anbieten. Andere Anbieter gehen davon aus, dass Stammkunden seltener die Preise der Konkurrenz recherchieren und zeigen in der App höhere Preise als im Browser an. Ausprobieren hilft.

Kaufabbrecher: Besonders ärgerlich ist es für Händler, wenn Sie als Kunde kurz vor der virtuellen Kasse den Kauf abbrechen. Haben Sie ein Kundenkonto, lohnt es sich daher manchmal, die gewünschte Ware in den Warenkorb zu legen und abzuwarten. Einige Onlinehändler machen dann ein Rabattangebot, erlassen Versandkosten oder bieten ein Extra-Goodie an.

Auf Preisvergleichsportalen wie Idealo oder Geizhals (gehört wie c’t zur Heise-Gruppe) bieten manche Webshops zuweilen bessere Preise an als in ihrem eigenen Shop. Der Klick im Portal führt dann auf eine Landingpage oder enthält einen URL-Zusatz.

Stationärer Handel

Auch der stationäre Einzelhandel ist heute in der Lage, Preise automatisiert und zentral gesteuert anzupassen. Wenn beispielsweise die Filiale einer Elektronikkette bestimmte Waren für zwei Tage pauschal um den Mehrwertsteuersatz reduziert, so geschieht dies über elektronische Preisschilder, sogenannte „Electronic Shelf Labels“ (ESL). Mit ESL kann ein Möbelhändler aus seiner zentralen Warenwirtschaft heraus den Preis für diese Ware gezielt und regional für einen bestimmten Zeitraum anpassen – automatisch oder per Klick. So hält er seine Tiefpreisgarantie auch dann ein, wenn die Konkurrenz von gegenüber einen bestimmten Fernsehsessel plötzlich im Angebot hat.

Etwas schematischer ändern immer mehr Tankstellen-Shops ihre Preise. Während der regulären Öffnungszeiten der Supermärkte bieten sie ähnliche Preise an, abends oder sonntags erhöhen sie diese automatisch. Auch flexible Preise sind denkbar, zum Beispiel für Grillwaren an regnerischen Spätsommertagen. Große Einzelhändler steuern Preise zentral – entweder übergreifend für die ganze Kette oder für jede Filiale einzeln. Die Änderungen kommen entweder über eine Strom- und Signalversorgung am Regal oder per Funk in die elektronischen Preisschilder.

Mit solchen vernetzten E-Ink-Preisschildern können Handelsketten Preise jederzeit zentral und für jede Filiale einzeln ändern.
Mit solchen vernetzten E-Ink-Preisschildern können Handelsketten Preise jederzeit zentral und für jede Filiale einzeln ändern.

Der Einzelhandel ersetzt monochrome LCDs zunehmend durch E-Paper, die nur Strom benötigen, wenn sich die Anzeige ändert. Eine Batterie in solchen vollgrafischen Displays hält fünf bis acht Jahre. Sie können neben Schrift auch Bilder, Logos, Barcodes und QR-Codes anzeigen.

Während der Öffnungszeiten sehen Kunden solche Preisänderungen jedoch. Wenn der Preis steigt, könnte Unmut aufkommen – umso mehr, wenn der Preis an der Kasse plötzlich höher ist als fünf Minuten zuvor noch am Regal. Fragt man den Handel, wo und in welcher Form er Dynamic Pricing bereits einsetzt, stößt man zumindest in den Zentralen der großen Ketten auf eine Mauer des Schweigens. Ein Franchise-Nehmer verriet uns immerhin, dass es in seiner Lebensmitteleinzelhandelskette situative Preissenkungen gebe.

Ein Beispiel seien Sonderposten, die sich nicht wie erwartet verkauft haben und am Ende eines Angebotszeitraums mit einer möglichst noch akzeptablen Marge abgesetzt werden sollen. Früher habe man eher nach Bauchgefühl reduziert. Heute könne man mit Daten arbeiten, darunter Erfahrungswerten aus vergleichbaren Aktionen der eigenen und anderer Filialen mit ähnlichen Rahmenbedingungen. Mit Preiserhöhungen mitten am Tag seien viele Lebensmitteleinzelhändler hingegen zurückhaltend. Damit bestätigt er den eingangs geäußerten Gedanken: Die Furcht vor Image-Schäden ist gerade in Zeiten der Inflation zu groß.

Fazit

Kunden sollten im Hinterkopf haben, dass der Handel mithilfe großer Datenmengen seine allgemein gültigen Preise schon heute deutlich passgenauer justiert als früher. In vielen Fällen ist das sogar eine Win-Win-Situation: Händler und Versender verbessern ihren Absatz, ohne dass Kunden dafür mehr bezahlen müssen. Die Anbieter der Dynamic-Pricing-Software versprechen, dass Machine-Learning- und KI-Komponenten in den nächsten Jahren zunehmend auch vorausschauend arbeiten (sogenanntes „Predictive Pricing“).

Schon heute kombiniert die Software händlerinterne Daten wie Kundenverhalten, Produktverkäufe, Lagerbestände oder laufende Werbekampagnen mit externen Marktdaten wie Wettbewerb oder Saisonalität. Mit KI-gestützten Tools versuchen Händler, anhand von Mustern und Erfahrungen aus der Vergangenheit künftige Entwicklungen zu prognostizieren und ihre Geschäfte besser zu planen – ob zum Wohl des Kunden, bleibt abzuwarten.

Denn längerfristig könnten Händler mithilfe von KI-Algorithmen noch genauer bestimmen, welchen maximalen Preis man als Kunde noch zahlen würde. Das hat derzeit noch Grenzen: Individuell bepreiste Waren sind und bleiben ein heißes Eisen, vor dem die meisten Kaufleute noch zurückschrecken.

Händler müssen den Einsatz von KI zur individuellen Preisgestaltung nach der EU-Preisangabenrichtlinie auf jeden Fall kennzeichnen. Zudem benötigen die Shops eine informierte Einwilligung der Kunden, um Daten zu sammeln und zu verarbeiten. Um diese zu erhalten, locken schon heute viele Shopping-Apps (Test) mit kleinen Rabatten. So verlockend diese auch sein mögen: Bleiben Sie wachsam. Denn Sie geben damit Ihr Einkaufsverhalten preis und dem Händler die Möglichkeit, Ihnen am Ende mehr zu verkaufen, als Sie ursprünglich wollten.

15.08.2023 12:30 Uhr | Tobias Weidemann | c’t Magazin

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