Nach der Pandemie gab es die Hoffnung, das Einkaufen in der City erlebe ein Comeback. Neue Studien zeigen: Das war Wunschdenken. Die mentalen Veränderungen der Kunden Richtung Online-Handel greifen tiefer als gedacht. Das Erstaunliche: Es geht den Menschen dabei nicht um Schnäppchen.
Jetzt reißt es nicht mal mehr der Weihnachtsmarkt raus: Nur noch jeder Dritte empfindet den anstehenden Buden-Rummel als Anreiz, Geschenke in der Stadt statt im Netz zu kaufen. Laut der Beratungsfirma EY sah das vor der Pandemie noch fast jeder zweite Befragte so.
Nach der Corona-Zeit flackerte kurz Hoffnung auf, dass es trotz leer stehender Karstadt-Filialen, öder Ketten-Geschäfte und allzu zweckmäßiger Architektur zu einer kleinen Renaissance der Zentren kommt. Doch das trügt. Die reinen Umsatzzahlen zeigen zwar, dass das rasante Wachstum des Online-Handels gestoppt ist. Allerdings sind die Bilanzen durch Inflationsschock und Pandemie-Effekte verzerrt.
Bemerkenswerter sind die mentalen Veränderungen bei den Kunden – wie beim Thema Weihnachtsmarkt. Solche Verhaltensänderungen brauchen lange, doch wenn sie einmal verankert sind, haben sie anhaltende Folgen: Die Innenstadt ist endgültig nicht mehr das natürliche Shopping-Ziel. Der Online-Kauf ist abseits von Lebensmitteln nicht mehr die besondere Ausnahme, sondern die Regel. Das war auch Thema beim jährlichen großen Branchentreffen, dem Handelskongress, in Berlin.
Ein klares Indiz für den Paradigmen-Wechsel ist die Bedeutung, die der vor wenigen Jahren in Deutschland noch unbekannte „Black Friday“ bekommen hat. Eigentlich ist der von US-Händlern als Rabatt-Tag erfundene Freitag erst am 24. November. Doch schon vorher gab es im Netz massenhaft echte oder behauptete Schnäppchen. Die Händler merken, dass ihre Kunden auf die Sonderangebote warten, um den Online-Weihnachtseinkauf danach auszurichten. Das hat die alte deutsche Warenhaus-Regel, erst nach dem Weihnachtsgeschäft Preise im Winterschlussverkauf großflächig zu reduzieren, komplett abgelöst.
Dennoch zeigen Studien, dass es anders als in den ersten Jahren des Online-Handels nicht mehr in erster Linie günstigere Preise sind, die Kunden zu Amazon, Zalando und anderen E-Commerce-Anbietern ziehen. Vielmehr ist es der Service: detaillierte Produktbeschreibungen statt ahnungsloser Verkäufer, einfache Rücksendung statt Diskussionen an der Umtausch-Kasse. Und natürlich weder Parkplatzsuche noch Warteschlangen.
Die Innenstadt der 1990er-Jahre ist nicht mehr zu retten – nicht durch ein weiteres Hilfspaket für Galeria Karstadt Kaufhof, nicht durch Miet-Rabatte, neue Straßenlaternen oder eben schönere Weihnachtsmärkte.
Die Kommunalpolitik muss den Zentren neue Funktionen geben und die Bevorzugung des Handels beenden. Sie muss darauf drängen, dass Ladenflächen zu Gastronomie, Büros oder Wohnungen werden. Dafür müssen die Rathäuser Bebauungspläne ändern, Verkehrskonzepte anpassen und Nahversorgung schaffen. Das ist eine harte, aber unausweichliche Aufgabe für diejenigen Kommunen, die früher eine große Bedeutung als Einkaufsstadt für Menschen aus dem Umland hatten.
Hoffnung gibt es dagegen für den Handel in den Nachbarschaften: Fußläufig kaufen Menschen gern weiter in schönen, kleinen Läden ein – nicht nur Lebensmittel. Kommunalpolitiker sollten gezielt lebenswerte Stadtviertel und Dorfkerne fördern. Hier geht es darum, Ladenflächen in Erdgeschossen einzuplanen und die Aufenthaltsqualität auf Straßen und Plätzen zu verbessern – vielleicht sogar mit ein paar Weihnachtsbuden.