Auf dem Markplatz von Amazon liegen viele Preise sogar unter dem Vorjahresniveau, zeigt eine Analyse. Doch das gilt nicht für alle Produkte.
Düsseldorf Im deutschen Einzelhandel steigen die Preise drastisch – doch im Onlinehandel fällt die Inflation weitgehend aus. Das ist das Ergebnis einer Preisanalyse des E-Commerce-Dienstleisters Remazing für das Handelsblatt auf dem Amazon Marketplace.
„Unsere Analyse hat gezeigt, dass die Preisentwicklung auf dem Amazon Marketplace deutlich unter der allgemeinen Inflationsentwicklung lag, es sind fast keine Auswirkungen der Inflation spürbar“, sagte Remazing-Mitgründer Emil Beck. „Wir waren selbst etwas überrascht, dass die Preise nahezu konstant geblieben sind.“
E-Commerce: Welche Produkte online billiger werden – und welche teurer
Bei der Bewertung der Ergebnisse ist aber zu beachten, dass Lebensmittel, bei den die Preise im Handel am stärksten gestiegen sind, auf Onlineplattformen weniger verkauft werden, frische Lebensmittel sind hier praktisch gar nicht erhältlich.
Eine Preissteigerung war im Onlinehandel dagegen am deutlichsten bei Haushaltswaren und Möbeln zu erkennen. Dort stieg der Durchschnittspreis bei den untersuchten Produkten im Verlauf eines Jahres von 134,45 Euro auf 147,01 Euro.
Bei der Bewertung der Ergebnisse ist aber zu beachten, dass Lebensmittel, bei den die Preise im Handel am stärksten gestiegen sind, auf Onlineplattformen weniger verkauft werden, frische Lebensmittel sind hier praktisch gar nicht erhältlich.
Das Ergebnis deckt sich mit einer Untersuchung, die der Softwaredienstleister Adobe für den US-Markt durchgeführt hat. Danach sind die Preise im Onlinehandel im März im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,7 Prozent gefallen. Der Preisindex für den gesamten Handel (CPI) dagegen stieg im gleichen Zeitraum um fünf Prozent.
Nach der Analyse von Adobe lohnte es sich besonders, Elektronikprodukte online zu kaufen. Deren Preise waren in den USA im Schnitt um 12,9 Prozent gefallen. Bei Spielwaren betrug der Rückgang 6,6 Prozent, bei Haushalts- und Gartengeräten 4,9 Prozent.
Amazon-Algorithmen bestrafen Preiserhöhungen
Der wichtigste hat direkt mit Amazon zu tun. „Auf Amazon herrscht eine große Preistransparenz und damit ein harter Wettbewerb, das wirkt bremsend auf mögliche Preissteigerungen“, beobachtet er. Auch reagierten die Algorithmen von Amazon sehr sensibel auf Preiserhöhungen und reduzierten dann sofort die Sichtbarkeit der Produkte.
Adrian Meili, CEO des Markenherstellers Zino Davidoff, bestätigt das: „Die Marktplätze sind bei der Kommunikation der Preise transparent, was dem Kunden hilft, verschiedene Angebote zu vergleichen.“ Davidoff habe deshalb im vergangenen Jahr die Preise im Onlinedirektverkauf „nur punktuell erhöht“.
E-Commerce: Vorteil durch weniger Personal
Doch es liege auch an den Anbietern selbst, dass sie ihre Preise im allgemeinen Inflationsumfeld weitgehend konstant halten können, erklärt Remazing-Mitgründer Beck: „Der E-Commerce hat schlankere Strukturen und damit geringere Kosten.“
Alexander Graf, Mitgründer der Digitalberatung Etribes und CEO des Softwareanbieters Spryker, bestätigt diese Einschätzung: „Strukturell hat der stationäre Handel durch seine höheren Kosten in diesem Inflationsumfeld gegenüber dem Onlinehandel nur wenig Chancen“, sagt er. Deshalb nutze die Inflation dem Onlinehandel. „Entscheidender Vorteil ist, dass er weniger Personal benötigt, denn die Inflation ist ja auch an die Gehaltsspirale gebunden“, sagt Graf. „Wer viel Personal hat, ist im Nachteil.“
Jedoch zeigt sich der ausgefallene Inflationsschub auch im Umsatz der Onlinehändler. Während stationäre Händler durch die Preiserhöhungen im Lebensmittelbereich hohe Umsatzsteigerungen verzeichnen, fallen viele E-Commerce-Unternehmen zurück. So sind die Onlineumsätze der Otto Group in Deutschland im abgelaufenen Geschäftsjahr um acht Prozent zurückgegang
„Dazu kommt, dass sich sowohl Amazon als auch die Markenunternehmen aus der Erfahrung der Lieferengpässe in der Pandemie die Lager sehr voll gemacht haben“, beobachtet Experte Beck. Deshalb herrsche im Markt ein starker Ausverkaufsdruck. „Die Lager mussten leer werden für neue Waren“, so Beck. Das drücke auf die Profitabilität.
Pringles und Fanta: Gebündelte Waren senken die anteiligen Logistikkosten
Viele Markenhersteller haben sich Strategien überlegt, um im Onlinehandel trotz des Preisdrucks nicht draufzuzahlen. Eine beliebte Methode ist es, Artikel virtuell zu bündeln. „Dadurch erhöhen wir den Warenkorbwert, und es reduzieren sich die prozentualen Logistikkosten pro Produkt“, erläutert Christoph Sterkel, der bei Kellogg das E-Commerce-Geschäft verantwortet. Mit einem Klick kauft der Kunde dann beispielsweise gleich vier oder acht Dosen der Chipsmarke Pringles von Kellogg.
Im E-Commerce pflegt Kellogg auch eine enge Zusammenarbeit mit Coca-Cola. So bieten beide Hersteller online etwa Fanta und Pringles im Paket an. „Das ist sehr erfolgreich und erzielt höhere Bon-Summen“, erklärt Sterkel. Grundsätzlich verkauft Kellogg nach seinen Angaben auf Onlinemarktplätzen nicht unter dem unverbindlichen Verkaufspreis. Es sei wichtig, auch dort die Profitabilitätsziele zu erreichen, so Sterkel. Neue Kunden gewinne man nicht über den Preis.
E-Commerce: Langfristig könnten sich Onlinepreise der Inflationsrate annähern
Eine Folge des hohen Preisdrucks sei es aber auch, dass die Unternehmen genauer überlegten, welche Waren sie auf Lager halten, beobachtet Remazing-Gründer Beck. Das könnte dann auch wieder Spielraum für höhere Preise bieten.
„Wir erwarten langfristig, dass sich auch die Preisentwicklung im Onlinehandel der Inflationsrate annähern muss“, sagt Beck, „weil die Anbieter die niedrigen Preise nicht auf Dauer durchhalten können.“