20.04.2023 | Tobias Weidemann | t3n
Google hat mit dem IFH Köln und dem HDE eine neue Omnichannel-Studie vorgelegt. Dabei wird klar, dass Händler:innen nicht nur die richtigen Services online und offline gleichermaßen anbieten müssen.
Mehr Autonomie beim Kanalwechsel und einfache und einheitliche Einkaufserfahrungen – egal, ob im Laden, im Netz oder verknüpft. Das sind laut einer neuen Omnichannel-Studie die vordringlichsten Bedürfnisse der Kund:innen. Wie der vernetzte Kanaleinsatz gelingen kann, beschreiben das IFH Köln, Google und der Handelsverband HDE in der jetzt vorgelegten Omnichannel-Studie.
Bereits im vergangenen Jahr hatte man sich im Rahmen der letzten Studie, der „Google Omnichannel Excellence Study“ (GOES), mit der Frage beschäftigt, wie Händler:innen es gut schaffen, den stationären und den Onlinehandel zusammenzuführen. Klar war damals, dass es eine Gap zwischen dem Status quo und den Erwartungen der Kund:innen gibt. In der aktuellen Studie klären die Beteiligten dagegen die Frage, wie Händler:innen investieren sollten. Denn die Kund:innen wollen inzwischen in allen Bereichen auch auf sämtliche Vorteile des jeweils anderen Kanals zurückgreifen können.
Doch nach wie vor existiert zwischen dem, was Kund:innen von Omnichannel-Services erwarten, und den existierenden Omnichannel-Angeboten von Händler:innen eine Kluft. Die „Google Omnichannel Future Study“ (GOFS) in diesem Jahr, für die über 3.000 Konsument:innen aus Deutschland online befragt sowie 30 Interviews mit Expertinnen und Experten aus Handel und Industrie geführt wurden, zeigt auf, dass die Ära der (kanalübergreifenden) Kund:innenzentrierung gerade erst begonnen hat. KI und Machine Learning setzen dabei neue Maßstäbe für den Omnichannel der Zukunft.
Es ist übrigens nicht nur, aber vor allem auch die Gen Z oder die online-affine junge Zielgruppe, die wie selbstverständlich alle Kanäle mischt. „Mit zunehmenden digitalen Möglichkeiten wächst die Erwartungshaltung an die praktische Umsetzung. Händler:innen müssen hier technologisch unbedingt am Ball bleiben, sonst verlieren sie die Konsument:innen der Zukunft“, glaubt Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln.
Die Kundschaft nicht bevormunden
Wichtig sei zunächst, die Kund:innen nicht zu bevormunden und in ihrer Autonomie einzuschränken. Wer eine einheitliche Kund:innenerfahrung bietet und es möglichst einfach macht, gewinnt. Das gilt für die Frage, wo man seine Ware in Empfang nimmt, wie man kommuniziert und nicht zuletzt, womit man bezahlt. „Aus Kund:innensicht gibt es somit keinen Vorteil für Pure Player im Onlinebereich“, erklärt Kai Hudetz, denn „die Kund:innen wollen stets die Auswahl haben“, glaubt Hudetz.
Welcher Kanal genutzt wird, entscheidet sich somit situativ und individuell, was sich auch auf die Customer-Journey auswirkt. Doch diese kanalübergreifend nachzuverfolgen, bleibt, gerade was das Offline-Tracking betrifft, eine Herausforderung für viele Unternehmen.
Das bestätigt auch Andrea Lederer, Director E-Commerce bei der Parfümeriekette Douglas. Während Douglas gerade in der Pandemiezeit eine Online-First-Strategie gefahren war, besinnt man sich inzwischen wieder mehr auf die Filiale zurück – und ist sich bewusst, dass kein Kanal ohne den anderen Sinn ergibt. „Um gerade angesichts der Pure Player in der Parfümeriewelt mit ganz anderen Kostenstrukturen mitspielen zu können, haben wir beide Kanäle verzahnt und holen die Kund:innen stets da ab, wo und wie sie bei uns kaufen wollen.“
Sie sieht datenbasiertes Verkaufen als Grundlage jedes wirtschaftlichen Handelns und als wichtiges Mittel, um interne Barrieren in Richtung Omnichannel abzubauen. Und das lohne sich: „Kund:innen, die online und offline einkaufen, kommen zwei- bis dreimal so häufig und waren in der Coronazeit resilienter, weil sie unsere Möglichkeiten zu nutzen wussten“. Click & Collect sei inzwischen im Markt angekommen und die digitalen Touchpoints vor dem Kaufprozess seien aktuell der Bereich, in dem Douglas noch an der Verbesserung der Zahlen arbeitet – stets mit dem Ziel, die Kund:innen besser zu verstehen.
Kanal-egal-Ansatz mit Smartphone als zentraler Einheit
Der Fokus liegt auf dem Smartphone, aber auch stationäre Läden haben nach wie vor Daseinsberechtigung und Relevanz, weil viele ihre Ware vorher sehen und anfassen wollen. Entscheidend ist, dass die Kund:innen alle Services in jedem Kanal vorfinden und nutzen können. Das reicht von der Online-Anzeige der Artikelverfügbarkeit in der Filiale über Reservierungsmöglichkeiten und (umgekehrt) Bestellung im Geschäft zur Lieferung nach Hause und ende noch lange nicht bei Rabattcoupons und Kund:innenkonten mit entsprechenden Incentives, die sowohl Online als auf im Store funktionieren.
„Der Handel muss die Kundinnen und Kunden dort abholen, wo sie sind – also online genauso wie im realen Leben. In der Verknüpfung beider Welten liegt der Schlüssel zum Erfolg“, weiß auch Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE). „Entsprechende Lösungen können etwa Kund:innen-Apps oder Displays im stationären Einzelhandel sein. Im Onlinebereich werden soziale Medien für den Handel weiter an Bedeutung gewinnen.“
Erfolgsfaktoren eines erfolgreichen Kanal-egal-Ansatzes definieren sich unter anderem über Innovationen – insbesondere über solche, die mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz kanalübergreifend Kund:innendaten messen. Das Device mit steigender Omnichannel-Zukunftsperspektive bleibt das Smartphone. Es dient als „Hyperconnector“ verschiedener Touchpoints. Schließlich nutzt schon jetzt rund ein Viertel der unter 35-Jährigen Apps auf dem Smartphone als Informationskanal vor einem geplanten Kauf – egal, ob online oder stationär.
Läden in den Innenstädten bleiben weiter wichtig
Entscheidend ist es, darin sind sich die Studienautor:innen einig, dass Autonomie der Kund:innen alles ist und der Kanal situativ gewählt wird. Händler:innen sollten deshalb ihre Maßnahmen und Services danach bewerten, ob sie die Autonomie ihrer Kundinnen und Kunden steigern. Doch wichtig ist hier nicht zuletzt die Convenience der Kundschaft: Es geht um Zeitersparnis, Einfachheit und situationsbezogene Entscheidungen, was man wo und wann shoppen will. Das gilt übrigens unabhängig von der Branche sowohl bei klassischen In-Store-Handelssegmenten wie Lebensmitteln, Bekleidung oder Möbeln gleichermaßen wie bei den Bereichen wie Bücher oder Elektronik, in denen der Onlinehandel schon seit Jahren praktiziert wird und „gelernt“ ist.
Für die Handelsunternehmen bedeutet das die Notwendigkeit, zu einer „Innovationsorganisation“ zu werden, wie es die Initiator:innen es formulieren. Es gehe dabei um eine hohe Innovationsgeschwindigkeit und Agilität und nicht zuletzt auch um eine kanalübergreifende Erfolgsmessung. Daher müssen Händler:innen in der Lage sein, alle Touchpoints zu verbinden. KI kann helfen, diese Daten zu verknüpfen, wobei das Smartphone als „Hyperconnector“ die Brücke zwischen den Welten schlägt.
Doch all das zeigt auch, dass die Läden in den Innenstädten oder die Filialen der Einkaufszentren noch lange nicht obsolet geworden sind – im Gegenteil. Bestimmte Kaufhausketten, die mit dem Wandel der Einkaufswelt ihre Misserfolge zu erklären versuchen, können daran erkennen, dass sie es bis zu einem gewissen Punkt selbst in der Hand haben, der Kundschaft das zu bieten, wonach sie sucht. Sie sollten ihr Ladengeschäft fit machen – und zugleich in den E-Commerce investieren. Doch nur wer es schafft, alle Touchpoints zu verbinden und die Daten übergreifend auszuwerten, wird die Kund:innen in Zukunft vollumfänglich verstehen und ihnen das bieten können, wonach sie suchen.