Von Dr. Stefan Krempl | 31.01.2023
148 von 399 untersuchten Online-Shops setzten Psycho-Tricks wie „Dark Patterns“ ein, hat eine EU-weite Prüfung ergeben. Das soll nun abgestellt werden.
Fast 40 Prozent der von Verbraucherschützern für eine Studie untersuchten Online-Shops bedienen sich manipulativer Praktiken wie Designtricks in Form von „Dark Patterns“, um Schwächen der Verbraucher auszunutzen oder sie zu täuschen. Dies hat eine Untersuchung der EU-Kommission und nationalen Verbraucherschutzbehörden von 23 Mitgliedstaaten, Norwegen und Island ergeben. Die Kontrollaktion umfasste 399 Shops von Einzelhändlern, die eine breite Produktpalette von Elektrogeräten bis zu Textilien anbot. Auf 148 davon stießen die Prüfer auf Verfahren, die Verbraucher zu Entscheidungen verleiten sollen, die möglicherweise nicht in ihrem Interesse liegen.
Falsche Countdowns
So verwendeten die Betreiber von 42 der analysierten Webseiten falsche Countdown-Zähler mit Fristen für den Kauf bestimmter Produkte, wie die Kommission am Montag mitteilte. 54 drängten Interessenten durch die visuelle Gestaltung oder sprachliche Mittel dazu, Abonnements abzuschließen, zu teureren Produkten zu greifen oder für sie ungünstige Lieferoptionen auszuwählen. 70 E-Commerce-Anbieter verbargen für einen Kauf entscheidende Informationen oder stellten sie schlecht erkennbar dar. Dazu gehörten Angaben zu Lieferkosten, zur Zusammensetzung der Produkte oder zu einer preisgünstigeren Alternative.
Die Kontrolle bezog sich auch auf Apps von 102 der einbezogenen Webseiten. Von diesen wiesen 27 ebenfalls mindestens eine Form von Dark Patterns auf. Die nationalen Behörden werden sich nun mit den betroffenen Händlern in Verbindung setzen, damit diese ihre Online-Auslagen verbraucherfreundlich und rechtskonform gestalten. Erforderlichenfalls ergreifen die Prüfer weitere Maßnahmen im Einklang mit nationalen Verfahren. Die Kommission wird sich zudem auch an die voriges Jahr entdeckten Verkäufer wenden, auf die Forscher bei einer Studie zu unlauteren Geschäftspraktiken gestoßen waren.
„Rechtswidrig“, aber „nicht repräsentativ“?
EU-Justizkommissar Didier Reynders bezeichnete den Einsatz von Dark Patterns, der mit dem Digital Services Act (DSA) strenger geregelt wird, als eindeutig rechtswidrig und Verstoß gegen die Verbraucherschutzregeln. Schon heute gebe es „verbindliche Instrumente“, um dagegen auch mit Mitteln der Strafverfolgung vorzugehen. Parallel prüfe die Kommission, ob das Verbraucherrecht verschärft werden müsse.
Das bestätigt Befürchtungen des Bundesverbandes Onlinehandel (BVOH), der die Studie als „nicht repräsentativ“ kritisiert. In Europa gebe es geschätzt über 600.000 Online-Shops, von denen in der Studie nicht einmal ein Prozent geprüft wurde. Die Untersuchung habe sich nach Angaben der Kommission auf Kleinhändler konzentriert, große Plattformen und Marktplätze seien nicht berücksichtigt worden. Die Ergebnisse seien „ohne wirkliche Aussagekraft“, kritisiert BVOH-Präsident Oliver Prothmann, würden dann aber „Grundlage für Gesetzesvorhaben“.